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Im Ge­spräch mit Erich Falkensteiner, Falkensteiner Hotels & Residences- Teil 4

Online-Marketing 5 Minuten
Ich investiere nicht in eine Idee, sondern in die Menschen.
Der vorherige und dritte Teil der Gesprächsreihe mit Erich Falkensteiner schloss mit den Bewegmotiven des Unternehmers für die Gründung der Falkensteiner Ventures. Daran anknüpfend stellte sich Falkensteiner den vertiefenden Fragen von ADDITIVE- Geschäftsführer Joachim Leiter zum Innovationshub Falkensteiner Ventures sowie zu einer Auswahl an weiteren Projekten und Geschäftsfeldern. Damit dient der erfolgreiche Unternehmer, der Mitbesitzer von über 30 Hotels ist, als Inspirationsquelle für Innovation im Tourismus. 
Sie haben es sich mit der Falkensteiner Ventures AG zum Auftrag gemacht, die digitale Transformation in Hotels, Travel und Leisure voranzutreiben und innovative Geschäftsideen zu fördern. War und ist es eine gute Idee in junge Unternehmer zu investieren?

Ich investiere nicht in die Idee, sondern in die Menschen. Ideen gibt es Hunderte… Wir investieren stark in die Themen Digitalisierung im Hotel und Camping. Der Auswahlprozess bei Falkensteiner Ventures verläuft in mehreren Etappen. Die allerletzte besteht darin, dass wir Investoren gemeinsam mit den jungen Menschen zum Bergwandern gehen. Wir haben bisher nie in jemanden ausschließlich über eine Videokonferenz investiert. Diese letzte Etappe, ein Tag am Berg mit einem abschließenden Gläschen Wein, sagt so viel mehr über die Menschen aus. 
Als Gründer auf die Nase zu fallen ist nicht schlimm, entscheidend ist wieder aufzustehen.
Worauf legen Sie bei den jungen Gründern besonders viel Wert?

Diese 4 Themen sind entscheidend: 
1. Hinfallen ist nicht schlimm, entscheidend ist wieder aufzustehen. Ich bin selbst bereits auf der Nase gelandet, aber man muss das Zeug dazu haben, weiterzumachen. Gerade als Start-up wird dieser Tag kommen, an dem es eben nicht so läuft wie geplant.
2. Die Kommunikation untereinander, man muss über Fehler im Team sprechen. 
3. Ehrlichkeit - die Gründer müssen Fehler gegenüber uns Investoren zugeben. 
4. Die richtigen Komponenten an Investoren, die dahinter stehen: die schlechtesten sind jene, die nur kritisieren - man darf nicht nur die Finger in die Wunde legen, wenn es mal schlecht läuft, sondern dann auch mit Rat und Tat zur Seite stehen. 
Welche von den über 800 Start-Ups, die Sie sich angesehen haben, haben sich durchgesetzt bzw. haben Vorzeigecharakter?

Von den über 800 Start-Ups der letzten 15 Monate haben wir konkret in 17 investiert. Die Investitionen wurden auch während der COVID-19-Pandemie fortgesetzt, kein Unternehmen wurde geschlossen oder auf Eis gelegt.

Das Revenue Management System Rateboard ist sicherlich das bisher beste Beispiel: die Gründer hatten die Weitsicht ein Problem am Markt zu lösen, das es bisher so nicht gab und haben ihr Unternehmen im richtigen Moment verkauft - das ist absolut ausschlaggebend. Ich habe dabei mehr als Türöffner fungiert. In den nächsten 12 Monaten sehe ich bei weiteren drei bis vier Start-Ups großes Potential.  
Die Bilder zeigen das Falkensteiner Balance Resort Stegersbach im Burgenland/Österreich sowie das Falkensteiner Schlosshotel Velden in Kärnten/Österreich

Gewähren Sie uns einen Einblick, in welchen Bereichen des Tourismus und der Hotellerie diese neuen Projekte mit Potenzial ansetzen?

Ich bin einerseits von einem Projekt im Bereich Visio-Warenwirtschaft in der Gastronomie komplett überzeugt: An der Digitalisierung wird dort kein Weg vorbeiführen, derzeit ist die Kette einfach viel zu kompliziert. Das kann doch nicht sein, dass man heutzutage noch mit handgeschriebenen Zetteln hantiert?

Und das zweite Projekt, das ich nennen möchte, ist ein einfaches Controlling-Tool. Derzeit begeben sich 80% der Hoteliers einmal monatlich zum Steuerberater um herauszufinden, was sie im letzten Monat verdient haben und was dabei an Steuern anfällt. In die Zukunft gedacht ist das einfach zu wenig. Jeder Hotelier muss mit einem Blick auf sein Handy sehen, wie seine Auslastung derzeit ist, wie es für die nächsten 60 Tage aussieht, was genau heute und in der nächsten Zeit an Personalkosten anfällt, wie hoch die Marketingkosten sind, wie hoch der ROI (Return on Investment) ist und was der Vertrieb kostet. Es gilt: Keep it simple. Eine Art Ampelsystem wird dem Hotelier mitteilen, es läuft gut oder eben “Achtung, hier muss man eingreifen”. 
Lassen Sie uns über den Falkensteiner Spirit Club sprechen, Ihrem Loyalty-Programm. Wie wurde dieser angenommen? Sind Falkensteiner-Gäste dadurch treuere Gäste?

Davon bin ich absolut überzeugt. Und auch die Zahlen bei unserem Crowdinvesting-Projekt sprechen dafür, rund 80% der Crowdinvestoren sind Spirit Club-Mitglieder. 
Crowdinvesting ist wirklich ein Kundenbindungsprogramm, es gibt mehrere Kunden, die sogar mehrmals investiert haben. Das Gerede drumherum muss einem dabei egal sein.  
Diese Crowdinvesting-Aktion abseits des üblichen Hotelmarketings ließ in der Tourismusbranche aufhorchen. Wenn Crowdinvesting so gut funktioniert, warum starten von 100 Hoteliers nur zwei ein solches Projekt?

Es gilt hierbei zwei Hürden zu nehmen: Die erste, die psychische, war mir zu Beginn ein Dorn im Auge. Meine Logik sagte mir, was wird wohl der Gast von uns halten, wenn wir plötzlich Geld einsammeln? Ich dachte mir, der Gast verknüpft dies sofort mit Geldproblemen und fragt sich “Was ist denn bloß bei den Falkensteiner Hotels los? Sind die etwa in Schieflage geraten?”. Und diese Hürde muss man als Hotelier erstmal nehmen.

Die zweite Hürde ist eher physischer Natur: der Spirit Club-Kunde bucht nämlich nicht ein Hotel sondern 30. Ausschlaggebend ist die Vielfalt: der Kunde hat die Möglichkeit heute nach Kroatien zu fahren, morgen nach Sardinien und übermorgen nach Kärnten. Ich bin mir sicher, kein Kunde würde investieren, um immer in dasselbe Hotel in derselben Ortschaft zu fahren. Darum kann man ein solches Projekt wohl nur als Gruppe angehen. Die meisten Einzelhotelbetriebe sind daran gescheitert. Crowdinvesting ist wirklich ein Kundenbindungsprogramm, es gibt mehrere Kunden, die sogar mehrmals investiert haben. Das Gerede drumherum muss einem dabei egal sein.  
Gibt es ein Projekt, ein Geschäftsfeld oder besser, einen unternehmerischen Traum, den Sie sich gerne noch erfüllen möchten?

Ehrlich gesagt, nein. Ich bin jetzt 60 Jahre alt, ich mag außerhalb der Tourismusbranche nichts mehr neues beginnen. Es gibt zwar einzelne Beteiligungen in anderen Branchen. Aber warum sollte ich in medizinische Technologien investieren, von denen ich als Bauernsohn und Gastwirt absolut null Ahnung habe und die mich nicht interessieren? Da bekenne ich mich zu meinem konservativen Credo “Schuster, bleib bei deinen Leisten.” und lege den Fokus auf Innovation im Tourismus. Hotelbetrieb, Hotelentwicklung, Hotelberatung, Einkauf, Touristik, Ventures, Glamping, Camping - ich glaube, damit kann man gut arbeiten. Und überall steckt noch Entwicklungspotential - darauf freue ich mich. 
Headerbild: Fotocredits by Hannes Niederkofler